Praxis für Psychotherapie (HeilprG)

Dr. rer. nat. Katharina Nakel (Heilpraktikerin für Psychotherapie)

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Unter dieser Rubrik möchte ich in Form eines Blogs über aktuelle Themen informieren und meinen Beitrag zur Psychoedukation leisten. Seien Sie neugierig. Neue Beiträge werde ich über Instagram und unter Aktuelles ankündigen. Die Texte sind weitesgehendst in der männlichen Form verfasst, dies soll aber bitte keine Wertung darstellen. Vielen Dank für Ihre Interesse!


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12.08.2024

Das ABC-Modell - ein Element aus der Verhaltenstherapie kurz erklärt

Das ABC-Modell nach Albert Ellis besagt, dass unsere Wahrnehmung von Situationen durch subjektive, teils unbewusste Bewertungen begleitet und „überschattet“ wird. Das mag im ersten Moment nichts Ungewöhnliches und Problematisches sein. Unsere Wahrnehmung beruht auf dem äußeren Reiz, der durch unsere Sinnes- und Wahrnehmungsorgane wie Augen, Ohren, Nase und Haut wahrgenommen wird und unserer „inneren“ Reaktion auf diesen Reiz in Form eines Gefühls (Lust oder Angst in erster Linie) oder aber auch eines Gedankens bzw. einer Bewertung des Reizes, gefolgt von einem Verhalten auf den Reiz (Neugier, Fight – Flight – Freeze oder neutral). Diese Reaktion, vor allem das Verhalten auf einen Reiz, ist eine Interaktion mit der Außenwelt, aber auch ein Schutzmechanismus und wird bio-psycho-sozial im Laufe unserer Entwicklung beeinflusst und angelernt. Heißt, nicht nur unsere eigene Konstitution, unsere körperlichen „Anlagen“ und unsere psychische „Persönlichkeit“ bedingt die Reaktion, sondern auch, was wir von unserem Umfeld mitbekommen haben, durch Bezugspersonen, aber auch durch andere, von uns nicht direkt kontrollierbare soziale und kulturelle Begebenheiten, sowie der Gesellschaft. Hierbei ist zu beachten, dass unser primäres Gefühl auf einen Reiz schwerer kontrolliert werden kann. Jedoch unsere Reaktion auf das Gefühl.
Somit kann man sagen, dass es bei dem Verhalten, dass ein erwachsener Mensch an den Tag legt, mehrere Ebenen gibt, die es bedingen. Auf einen Reiz folgt nicht gleich eine Reaktion – auf einen Reiz folgt zunächst in Millisekunden ein Gefühl – Lust oder Angst, Wut oder auch Schmerz nenne ich hier mal als Beispiele. Auf die Mischung aus Reiz und Gefühl springt unser Hirn an und bewertet die Situation und das Gefühl. Somit wird als nächster Schritt nicht mehr nur der Reiz als das bewertet, was er ist – ein Geräusch, ein Geschmack, etwas das man sieht oder fühlt – sondern auch noch das Gefühl, das in Verbindung damit entsteht. Nehmen wir an, wir sind beim Essen und nach dem ersten Löffel der Nachspeise schießt aus unserem Mund ein „Boah, schmeckt das gut“. Der Reiz, ein gezuckertes, überaus genießbares Nahrungsmittel, regt beim Anblick und beim Kauen nicht nur die Speichelproduktion an, sondern bringt auch den Körper dazu, eine Vielzahl an Botenstoffen und Neurotransmittern auszustoßen – das ist das gute Gefühl, das dann in uns sofort hochkommt. Aber auch eine Menge „Erinnerungen“ an Begebenheiten, in denen man diese Nachspeise vielleicht schon mal gegessen hat. Im besten Fall genießen wir es ausgiebig und wünschen uns, dass der Teller nie leer wird, weil es so gut schmeckt. In einem anderen Fall haben wir vielleicht gelernt, dass zuckerhaltige und fette Nahrung schlecht ist, dass wir diese nicht genießen dürfen, weil wir sonst noch weiter an Gewicht zunehmen, unsere Diät damit ruinieren und unansehnlich werden. Dann schüttet der Körper nach der Nahrungsaufnahme die gleichen Botenstoffe aus, wie im ersten Fall. Aber das Hirn interpretiert dieses „Gefühl“ jetzt anders. Gedanken wie „das darf ich nicht“, „das ist schlecht“, „ich bin doch eh schon so fett“, „jetzt denken alle, ich bin nur am fressen“, „ich schäme mich so, dass ich das jetzt gegessen habe“ überfluten in Sekunden unsere Sinne und aus dem anfänglich guten Lustgefühl wird etwas Negatives, etwas mit Angst besetztes, etwas, dass man nicht tun darf oder tun sollte. Scham macht sich breit und Schuldgefühle. Man leidet auf einmal unter der Situation und das oft über Stunden danach noch. Unsere Bewertungen einer Situation haben eine Konsequenz auf unser anschließendes weiteres Erleben und unser Verhalten. Im ersten Fall können wir annehmen, dass wir das Essen genießen, mit den Personen um uns herum weiterhin aktiv in regem Austausch und offen für weitere Erfahrungen sind. Im letzteren Fall können wir jedoch annehmen, dass sich ein Teil von uns verschließt, weil wir nun mit Angst und Schuld beschäftigt sind und nicht mehr offen und akzeptierend mit unserem Umfeld interagieren können, wir reagieren dann vielleicht sogar gereizt auf unsere Mitmenschen oder auf weitere Vorkommnisse. Wir sind noch so sehr in der einen Situation „gefangen“, dass wir nicht mühelos in eine andere übergehen können. Jeder kennt solche Situationen vielleicht aus dem Alltag. Es muss nichts mit Essen zu tun haben, oft sind aber andere Personen beteiligt. Dann traut man sich vielleicht nicht, für sich einzustehen oder „Nein“ zu sagen, weil man sich denkt, man hat nicht das Recht dazu. Dann schämt man sich, aufzufallen oder laut zu werden, weil man überlegt, was die anderen dann denken. Dann versteckt oder unterdrückt man seine Wut und andere negative Gefühle, weil man sich denkt, die haben keinen Platz, die darf man nicht haben. Jeder hat so seine „antrainierten“ Glaubenssätze und Gedankenmuster. Sie sind vielleicht sogar auch mal hilfreich gewesen, als das „Ich“ einfach überleben musste, nicht auffallen durfte, nicht laut werden durfte, weil es sonst nicht Liebe, Nähe und Anerkennung erhalten hätte. Aber in den meisten Fällen ist man nicht mehr das „kleine Kind“, das sich verstecken muss. Und das erwachsene „Ich“ leidet häufig unter diesen alten Gewohnheiten, weil es dadurch die Möglichkeit verliert, weiter zu wachsen. Und das kann dann zu körperlichen und seelischen Beschwerden führen. Manchmal braucht es eine Lebenskrise, in der man das erste Mal erkennt, dass es so nicht weitergehen kann. Und dann darf man beginnen, mal etwas genauer hinzuschauen.
Wenn wir dann gezielt beobachten und herausfinden, wie wir bestimmte Situationen bewerten, können wir im nächsten Schritt beginnen, neue, ressourcenstärkende Bewertungen zu entwickeln. Mit diesen neuen Bewertungen sind oft Veränderungen im Erleben und Verhalten möglich, man erkennt, dass man nicht unter einer Situation leiden muss, sondern sie ganz selbstwirksam und selbstbewusst meistern kann. Im Falle der oben genannten Person, die in Selbstzweifel und Selbsthass verfällt, nachdem sie etwas gegessen hat, dass sie nicht essen dürfte, wäre das im ersten Schritt die bewusste und achtsame Wahrnehmung der Situation, in der man nicht so ganz klarkommt und unter der man leidet und die man eigentlich gerne anders erleben würde. Das wäre das „A“ in der ABC-Methode. „Die Person isst eine Nachspeise“. Das, was passiert oder das was man macht oder was gemacht wird, wird als das betrachtet, was es ist. Ohne Interpretation. Bewertungslos. Das ist also weder gut noch schlecht. Das „B“ in der ABC-Methode sind dann die ganzen Gedanken und Bewertungen, die man darauffolgend hat. Da genau hinzuschauen ist sehr wichtig. Die Person könnte denken „Mist, jetzt werde ich schon wieder zunehmen.“ Oder auch „Ich habe es nicht verdient, Spaß und Genuss zu haben, wie die anderen“ oder auch „Wenn ich jetzt damit anfange, muss ich es auch aufessen“. Dies aufzuschreiben, sich vor Augen zu führen, was da alles hochkommt, ist wichtig. Je genauer wir jeden Gedanken wahrnehmen, desto besser kann damit später weitergearbeitet werden. Im nächsten Schritt, dem „C“, versucht man dann, die Gefühle und das Verhalten zu beschreiben, die durch diese Gedanken ausgelöst wurden. Das könnte jetzt in unserem Fall Angst sein, oder auch Wut, Traurigkeit, ein Versagensgefühl, es ist vielleicht ein Kloß im Hals, ein Druck auf der Brust, ein Stechen in der Magengegend, Übelkeit, es könnten noch Hilflosigkeit und ein Gefühl der Einsamkeit und Isolation dazukommen. Die Person kann erkennen, dass sie sich dann vielleicht von den anderen zurückzieht, nicht mehr aktiv an den Gesprächen teilnimmt, weniger lachen kann, vielleicht sogar früher nach Hause geht, weil es für sie unerträglich wird. All das, was man darauffolgend fühlt und macht, ist hier zusammengefasst. „B“ und „C“ können auch öfter hintereinander zu einer bestimmten Situation wiederholt werden. Oft kommt man beim ersten Mal nur an die oberste Schicht der Glaubensätze und erst später erkennt man, was da noch dahintersteckt an unerfüllten Bedürfnissen und Erwartungen und welche komplexen Gefühle da zusammenkommen.
Die eigentliche Arbeit beginnt aber dann mit „D“. Hier darf man kreativ werden und überlegen, was man stattdessen denken könnte. Man geht auf die Suche nach hilfreicheren und ressourcenstärkenden Gedanken. In unserem Fall könnte die Person denken, dass sie von einem Bissen nicht zunehmen wird. Das wäre realistisch. Sie kann auch denken, dass sie gesund und stark ist und ihr Körper sich über ein leckeres Essen freut und dass das nicht schadet. Und vor allem, dass sie ja nicht die ganze Nachspeise essen muss, man könnte sie ja teilen. Das gibt ihr die Kontrolle über die Situation und man bleibt im Austausch mit den anderen Personen. Sie hat es dann selber in der Hand, wieviel sie isst und kann den Rest vielleicht noch einer dritten Person überlassen. Die Person hat alle Zeit der Welt, erstmal zu schauen, ob es ihr überhaupt schmeckt. Mal genau reinhören, was ihr Körper ihr sagt. Es könnte ja auch sein, dass diese Art der Nachspeise ihr eigentlich wirklich gar nicht schmeckt. Warum muss man dann Angst davor haben? Dann kann man auch selbstbewusst sagen, dass man das nicht essen möchte. Im letzten Schritt, dem „E“ überlegt man dann, wie man sich gerne in der bestimmten Situation fühlen und verhalten will. Stattdessen will unsere Person sich einfach gut fühlen, es genießen, kein schlechtes Gewissen haben, in Beziehung mit den anderen bleiben, sich jetzt keine Gedanken über ihr Gewicht machen, stolz auf sich sein. Sie darf in dieses Gefühl reingehen und sich anschauen, wie sie sich dann verhalten würde. Sie könnte ein paar Bissen von der Nachspeise nehmen und sie dann stehen lassen oder einem anderen überlassen, der sich vielleicht auch noch daran freut. Sie könnte aber auch die Nachspeise stehen lassen, weil sie ihr einfach nicht schmeckt. Sie könnte die Nachspeise aufessen und sie genießen und, falls sie wirklich auf Diät ist, dafür am nächsten Tag beim Frühstück etwas weniger essen oder einfach nach dem Essen mit den Freunden noch eine schöne Runde spazieren gehen. Man darf dann in Selbstliebe und Selbstfürsorge handeln. Und kreativ werden. Es wird ein wenig dauern, bis man seine Gedanken und sein Verhalten „umprogrammiert“ hat. Es hilft oft, für sich immer wieder einfach in Gedanken in die Situation reinzugehen und sich dann vorzustellen, wie man stattdessen handeln könnte. Der Mensch lernt durch Wiederholung. Es heißt nicht umsonst „Übung macht den Meister“. Man überschreibt durch diese Methode nicht die alte Gewohnheit, man baut stattdessen eine neue Gewohnheit auf. Und wenn der Leidensdruck mit dieser neuen Gewohnheit geringer wird, dann wird im besten Fall das neue Verhalten bevorzugt. Durch die ABC-Methode kann man selbstwirksam zu einem positiveren Lebensgefühl gelangen. Durch die äußere Struktur und die Vorgaben der Methode kommt man, zunächst unter Anleitung eines Therapeuten, zu mehr Achtsamkeit auf seine eigenen Gedanken und sein Verhalten, etwas Unbewusstes wird dadurch ins Bewusstsein geholt und erst dort kann es dann verändert werden. Zudem kann man sie in verschiedenen Formen durchführen. Ich bevorzuge neben dem theoretischen Teil, bei dem man wirklich versucht, alles aufzuschreiben, auch den praktischen Teil, bei dem man mit Kärtchen auf dem Boden in die jeweiligen Gedanken und Gefühle reingeht, von „B“ nach „C“ und zu „D“ und „E“ im Raum „hüpfen“ und die jeweiligen Körperreaktionen wahrnehmen und verbalisieren darf. Körper und Geist zusammen arbeiten zu lassen ist am effektivsten.
In welchen Situationen wünschst du dir ein anderes Erleben und Verhalten? Lass uns drüber reden. Ich möchte dich auf dem Weg zu deiner positiven Veränderung gerne unterstützen. Melde dich einfach – jede Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt.



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