Praxis für Psychotherapie (HeilprG)

Dr. rer. nat. Katharina Nakel (Heilpraktikerin für Psychotherapie)

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Unter dieser Rubrik möchte ich in Form eines Blogs über aktuelle Themen informieren und meinen Beitrag zur Psychoedukation leisten. Seien Sie neugierig. Neue Beiträge werde ich über Instagram und unter Aktuelles ankündigen. Die Texte sind weitesgehendst in der männlichen Form verfasst, dies soll aber bitte keine Wertung darstellen. Vielen Dank für Ihre Interesse!


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06.09.2024

Dem Winter entgegen - "saisonal abhängige Depression" - die Winterdepression

Kennst du das Gefühl auch? Irgendwie ist für mich ab dem ersten September immer Herbst. Zurück aus dem Sommerurlaub und nach vielen langen sonnigen Tagen bemerke ich, dass es „plötzlich“ später hell und früher dunkel wird. Die Tage werden kürzer, die Schatten werden länger, die Sonne steht tiefer und irgendwie hat sich alles verändert. Die Blätter der Bäume verfärben sich nun in den nächsten Wochen zunehmend rot, gelb und orange und leuchten so mit ihren satten Farben auch an grauen verregneten Tagen. Es wird kühler, die ersten Übergangsjacken und wasserfesten Schuhe müssen wieder aus dem Schrank geholt werden. Haus und Garten müssen in den nächsten Monaten winterfest gemacht werden.
Der Abschied vom Sommer ist für viele Menschen eine besondere Zeit. Jeder verbindet etwas anderes damit und im besten Fall hat man eine Reihe an tollen Erinnerungen an den Sommer und die vergangenen Monate, die einen immer mal wieder in eine dankbar melancholische Stimmung bringen und gleichzeitig Lust auf den nächsten Sommer machen. Man genießt leckere Herbstgerichte, wie Zwetschgendatschi und Apfelkuchen, vielleicht sogar schon die ersten Lebkuchen aus dem Supermarkt. Für Eltern von schulpflichtigen Kindern oder als Student beginnt nun wieder das Schul- und Studienjahr mit all seinen Höhen und Tiefen und diversen Verpflichtungen. Gleichzeitig beginnt man oft, sich schon Gedanken über Weihnachten und die Weihnachtsgeschenke und das Ende des Jahres zu machen. Man wird nachdenklicher, blickt auf das Jahr zurück und vielleicht steigt auch das Bedürfnis nach sozialem Rückzug und Zeit für sich. Immer dabei – der Gedanke, dass das Jahr schon wieder viel zu schnell vorbeigegangen ist und man gar nicht weiß, wo die ganze Zeit geblieben ist. Es war doch gerade erst Frühjahr.
Was ist aber, wenn man sich so gar nicht auf den Herbst und den Winter freut, weil man weiß, dass es einem in diesen Monaten schon länger nicht mehr so wirklich gut geht? Etwa 1-2% der Bevölkerung leidet unter der sogenannten „saisonal abhängigen Depression“ (auch „saisonal affektive Depression (SAD)), im Volksmund auch „Winterdepression“ genannt. Die saisonale Depression wird in der ICD-10 der rezidivierenden depressiven Störung (F33) oder der bipolaren affektiven Störung (F31) zugeordnet. Dabei kommt es regelmäßig und über mindestens 2 Jahre zum Auftreten depressiver Episoden während einer bestimmten Jahreszeit, überwiegend dem Winter. Als Ursache hierfür wird unter anderem das geringere Angebot an Tageslicht genannt, welches sowohl beim Abbau des in der Nacht vom Körper hergestellten „Schlafhormons“ Melatonin beteiligt ist, als auch an der Produktion des Glückshormons Serotonin. Eine hohe Konzentration von Melatonin macht müde, antriebslos und kann die Stimmung drücken. Durch den Mangel an Serotonin klagen Betroffene zudem über Heißhunger nach kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln, und oft auch über die dadurch bedingte Gewichtszunahme. Sie haben ein erhöhtes Schlafbedürfnis, kommen morgens schwerer aus dem Bett und haben eine verstärkte Schlafneigung über den ganzen Tag verteilt. Die allgemeine Leistungsfähigkeit sinkt deutlich. Dies kann vor allem in der Arbeit, im Familienleben, bei Sozialkontakten und beim Autofahren zu Problemen führen. Die Symptome gehen im Frühjahr wieder zurück.
Der Leidensdruck bei einer Winterdepression kann subjektiv sehr hoch sein. Solltest du bereits wissen, dass du im Herbst und im Winter immer in ein Loch abrutschst, am liebsten nur schlafen, essen und niemanden sehen willst, es furchtbar anstrengend ist, in die Arbeit zu gehen und deine Alltagsroutinen zu bewältigen, dann darfst du dir schon jetzt Gedanken darüber machen, wie du die kommende Zeit gut überstehst. Etwas Vorbereitung kann dir vielleicht die Angst vor den Wintermonaten nehmen und dir den Alltag erleichtern.
Zunächst – es ist in Ordnung, dass du im Winter nicht so aktiv bist und mehr Zeit für dich brauchst. Auch etwas an Gewicht zuzunehmen ist in der Regel nichts Außergewöhnliches in den Wintermonaten. Was kannst du aber nun selber tun, damit du gut durch den Winter kommst? Es gibt verschiedene Bausteine oder auch „gesunde“ Routinen, die du in deinen Alltag integrieren bzw. unbedingt weiterführen solltest, solltest du sie schon integriert haben. Ein wichtiger Baustein ist natürlich die Bewegung. Am besten ist ein Spaziergang an der frischen Luft, für mindestens 30 Minuten täglich und tagsüber. Bewegung regt die Serotoninproduktion an, schüttet ein paar weitere Botenstoffe aus, die den Kreislauf in Schwung bringen, dein Atem kann fließen und du wirst wacher. Solltest du dies wegen gesundheitlicher Probleme nur schwer machen können, könntest du ein paar Gymnastik- oder Dehnübungen, sowie leichtes Krafttraining mit Hanteln ausprobieren. Im Internet gibt es eine Fülle von Ideen, lass dich inspirieren und probiere es aus. Das kostet weder Geld noch teure Geräte. Viele Übungen lassen sich auch mit gefüllten Wasserflaschen oder dem eigenen Körpergewicht machen.
Sonnenlicht bzw. Tageslicht ist ein weiterer, sehr wichtiger Baustein. Es hat einen positiven Effekt auf die Serotoninproduktion und demnach auch auf die Stimmung. Bei einem Spaziergang tagsüber kannst du hier schon einiges tun. Solltest du einen Balkon oder Garten haben, kannst du dich auch hier in die Sonne setzen. Geschlossene Fenster lassen leider nicht genug von der wirkungsvollen UV-Strahlung durch, aber im Winter will man auch nicht vor offenen Fenstern sitzen. Solltest du eine ausgeprägtere Form der Winterdepression haben oder in deinen Möglichkeiten eingeschränkt sein, ist auch eine Tageslichtlampe ratsam. Diese speziellen Lampen haben eine Stärke von bis zu 10.000 Lux. Sich hier beraten zu lassen ist sinnvoll, um Blendungen und Netzhautschädigung zu vermeiden. Eine halbe Stunde pro Tag, gleich morgens nach dem Aufstehen beim Lesen oder Kaffee trinken, kann nach ein paar Tagen einen positiveren Effekt zeigen als normale Zimmerbeleuchtung, die nur etwa 300 bis 500 Lux aufweist. Wichtig hier ist zu wissen, dass das Licht über die Augen aufgenommen werden muss. Solarium ist zwar auch schön und gut, aber hier wird das Licht nur über die Haut aufgenommen. Dies kann zwar einen entspannenden Effekt haben, führt aber nur zur Bräunung der Haut. Auf die Regulierung des inneren Tag-Nacht-Zyklus hat es jedoch keinen Einfluss und sollte auch wegen den Risiken, die mit UV-Bräunung verbunden sind, nicht zu häufig durchgeführt werden.
Ernährung ist ein weiterer wichtiger Faktor, den man nicht außer Acht lassen darf. Im Gegensatz zu den Merkmalen einer nicht saisonalen Depression, bei der Appetitverlust und Gewichtsabnahme im Vordergrund stehen, kommt es bei Menschen mit Winterdepression häufig zu einer Gewichtszunahme durch vermehrten Hunger, sogenannten Heißhunger, auf zuckerhaltige und generell kohlenhydrathaltige Lebensmittel. Auch hier kann ein Serotoninmangel und die geringere Tageslichtzufuhr beteiligt sein. Dass sich die Wahl der Lebensmittel in einer Kultur generell den Jahreszeiten anpasst, ist nicht außergewöhnliches.
Die regionale saisonale Küche mit „typischen“ Wintergerichten ist in Deutschland deutlich fett- und kohlenhydratreicher als im Sommer. Die Speisekarte zeigt all das, was in den vergangenen Monaten mit viel Arbeit und Mühe gepflanzt, gehegt und geerntet wurde. Du darfst akzeptieren, dass dein Körper und Geist im Winter andere Nahrung verlangt als im Sommer. Um sich selber aber etwas Gutes zu tun, sollte man sich zwar gut und abwechslungsreich ernähren, aber grundsätzlich schon ein Auge auf das Was und Wieviel haben. Hier ist Achtsamkeit und bewusstes Einkaufen, Kochen und Essen eine Hilfe. Vielleicht kannst du schon beim Einkaufen auf Lebensmittel verzichten, die hoch verarbeitet sind und die du schnell und ohne großes Nachdenken essen kannst, so dass du gar nicht erst in Versuchung kommst. Du könntest dir auch vorab Alternativen überlegen, wenn dich der Heißhunger auf Süßes überkommt. Ein warmer Tee, Bewegung, eine Wärmflasche auf den Bauch legen, Fotos vom Sommer anschauen. Auch hier darfst du kreativ sein und ausprobieren, was dir guttut und bei welchen Tätigkeiten du ein paar Glückshormone ausschütten kannst. Verwende Lebensmittel, die lange satt machen und es dürfen im Winter auch gerne zwei warme Mahlzeiten sein. Es sind ja oft nicht die Hauptmahlzeiten, die zur Gewichtszunahme führen, sondern die Zwischenmahlzeiten. Sich hier einen ausgewogenen Plan zu machen und bewusst zu schauen, was und wieviel man zu sich nimmt, kann einem helfen, Lebensmittel zu finden, die Heißhunger vorbeugen und mit denen man sich besser fühlt. Lass dich auch hier gerne vom Angebot im Internet inspirieren. Vielleicht ist es auch hilfreich, gerade jetzt mal etwas Neues auszuprobieren und für bisschen Abwechslung zu sorgen.
Kommunikation ist auch ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Winterdepressionen. Sei ehrlich zu deinen Mitmenschen und deinen Kollegen bzw. zu deinem Arbeitgeber und kläre sie über deinen Zustand auf. Die Winterdepression ist eine klinische Diagnose und nichts, was du dir ausdenkst. Wenn du dir selber noch Schuldgefühle und den Argwohn deiner Mitmenschen aufpackst, weil du gerade nicht so kannst, wie du es sonst kannst, wird es nur noch schwerer für dich. Spreche auch mit deinem Hausarzt, wie er dich eventuell in den kommenden Monaten unterstützen kann. Auch Heilpraktiker für Psychotherapie bieten eine wertvolle Anlaufstelle, um die Wintermonate gut zu überstehen. Hier kannst du über deine Sorgen und Ängste sprechen und vielleicht auch an ein paar Themen arbeiten, die dich zwar das ganze Jahr über nur leicht beschäftigen, aber verstärkt in den Wintermonaten hochkommen und dich deutlich belasten. Es ist okay, sich rechtzeitig Hilfe zu holen. Vorallem, wenn in dieser Zeit Selbstmordgedanken auftreten, solltest du dir bitte umgehend psychotherapeutische Hilfe holen.
Psychotherapeutische Unterstützung solltest du dir ebenfalls holen, wenn du nicht nur im Winter zu gedrückter Stimmung und Antriebslosigkeit neigst. Solltest du das ganze Jahr über schon unter Schlaflosigkeit, Appetitverlust, Interessenverlust, sozialem Rückzug und Schuldgefühlen leiden, dann könntest du eine depressive Episode haben. Je früher du dir Unterstützung holst, desto besser. Sei es dir wert.




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